• SCHIFFLÄNDI •
Schiffländi – ein Lehrstück für die Demokratie
Heiss, es ist sehr heiss und heiss könnte auch noch die Debatte um den Siegerentwurf für die Neugestaltung der Schifflände werden. Doch warum erhitzen sich trotz zuvor erfolgter Umfrage die Gemüter so? Es geht um das Grundsätzliche Miteinander – eine Analyse.
Die rechtmässig gewählten Vertreter der Regierung bestehen bei uns aus Parteien verschiedener Couleur sowie zwei Parteilosen zusammen. Im Rahmen der gesetzlich geregelten Möglichkeiten erhalten diese Vertreter die Macht, die Geschicke einer Stadt etc. zu lenken und im besten Fall auch Visionen für eine fernere Zukunft zu entwickeln.
Machtbefugnisse beruhen in Demokratien auf der Legitimierung und Zustimmung von denen, die sie nicht haben. Der Auftrag geht von einer Mehrheit an eine Minderheit. Die Mehrheit der Bevölkerung ist also darauf angewiesen, dass diese Minderheit, wie die Regierung oder die Volksvertreter*innen, für sie die Prozesse organisiert. Und immer, wenn Interessenskonflikte bestehen, wird es schwierig, gemeinsam getragene Lösungen zu finden.
Um ein positives Miteinander zu gewährleisten, heisst das also an die Adresse derer, die die "Macht" haben, dass sie ihre Wähler an den Überlegungen für ihre Entscheidungen teilhaben lassen oder sie zu befragen, wenn es – wie im vorliegenden Fall – um die Neugestaltung eines öffentlichen Platzes geht. Dies wurde durch eine frühzeitige Bevölkerungsbefragung getan. Verstärkt Betroffene wie das Gewerbe wurden sogar speziell einbezogen. D.h. das Resultat des heutigen Siegerprojektes berücksichtigt bereits die von uns allen aufgeführten Wünsche. Klar ist dabei, dass danach eine grosse Vielfalt von teils sehr unterschiedlichen Bedürfnissen zu berücksichtigen war.
Nun hat eine Kommission aus den eingereichten Arbeiten eine auserkoren und das Planerteam zusammen mit seinem Vorschlag ausgewählt. Auch ich habe ehrlich gesagt keine für alle perfekte Lösung parat. Dass es jetzt gilt, dieses Projekt auf seine Realisierbarkeit zu prüfen, auch zusammen mit der Gastronomie eine gute Lösung zu finden, versteht sich von selbst. Nun gilt es also, ein Einvernehmen zu finden.
Einvernehmlich zu handeln bedeutet nicht, dass alle Menschen der gleichen Meinung sind. Es bedeutet nicht Einstimmigkeit, aber eine Übereinstimmung, die auf gegenseitigem Verstehen, auf einer Verständigungsbereitschaft beruht. Dass man also grundsätzlich bereit ist, Konflikte auf einer gemeinsamen Grundlage auszuhandeln, und am Ende sagen kann, es ist fair zugegangen. "Im Einvernehmen" bedeutet also, dass man eine Entscheidung mitträgt, auch wenn es nicht die persönliche Wunschlösung sein kann. Es bedeutet respektvollen Umgang und Anerkennung Andersdenkender. Entscheidend ist der Dialog, das Gespräch, das Zuhören und Hören der anderen Seite. Wer gehört werden will, hört zu. Stärke ist nicht gleich Lautstärke.
Manchmal beweist sich die eigentliche Stärke am ehesten, wenn man anderen den Vortritt lässt. Und Einvernehmen ist der stillschweigende oder manchmal auch ausgesprochene Konsens, dass es fair zugeht. Fair wiederum meint hier etwas anderes als gerecht. "Gerechtigkeit" als Begriff ist eine objektive Kategorie, die sich letztlich auch in Daten, Zahlen und Fakten messen lassen kann. Fairness wiederum braucht die subjektive Zustimmung. Ob es fair zugeht, hängt massgeblich davon ab, ob die Menschen das so empfinden. Fairness setzt eine bestimmte Form von Akzeptanz voraus, dass Entscheidungen formal richtig getroffen und die Folgen und Konsequenzen angemessen bedacht wurden.
Unter all diesen Aspekten, vertraue ich darauf, dass in einem fairen und wertschätzenden Prozess eine Annäherung stattfinden kann, sodass die Anliegen der Natur, der Gastronomie ebenso wie die der Menschen mit Behinderung gehört und bestmöglich umgesetzt werden können.
Waltraud Zepf Getto, Einwohnerrätin,
SP, Stein am Rhein, 21. 07. 2022
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