• FRAUEN *STREIK •
Stricken auf dem Fronwagplatz
Immer am 14. des Monats, von 17:00 bis 18:00, stricken Frauen auf dem Fronwagplatz. (Stricken im Sinne der Tricoteusen = politische Aktivistinnen während der Französischen Revolution). Wir stricken bis wir die Gleichstellung haben.
Kommen Sie doch mal vorbei, wir haben schon einige Meter gestrickt!
"Da wird jede Frau sauer, wenn sie das hört"
Heute vor einem Jahr begannen Mitglieder des Frauenstammtisches Schaffhausen, an jedem 14. des Monats an einem Schal zu stricken. Das wollen sie so lange tun, bis die Forderungen vom Frauenstreik umgesetzt sind. Elena Stojkova SCHAFFHAUSEN. Etwa 30 Meter lang ist der Schal bereits, und wenn es sein muss, wird so lang an ihm weitergestrickt, bis man ihn von Schaffhausen nach Bern auslegen kann: Heute vor genau einem Jahr haben Mitglieder des Frauenstammtisches Schaffhausen und andere Interessierte begonnen, zusammen auf dem Fronwagplatz zu stricken. Seitdem tun sie es an jedem 14. des Monats, immer um 17 Uhr, immer eine Stunde lang. Rot, pink oder violett sind die gestrickten Stücke, die zusammengesetzt werden. Der Hintergrund: Die Strickerinnen wollen, dass die Forderungen des Frauenstreiks, der am 14. Juni 2019 stattfand, in den Köpfen der Leute bleiben. «Mit dem Schal wollen wir ein Signal geben, dass wir noch da sind, unsere Forderungen noch aktuell sind – und dass wir hartnäckig bleiben», sagt Claudia Pfalzgraf, Mitglied des Frauenstammtischs. Sie hatte die Idee dazu. Wie viele Mädchen habe sie in der Schule im Fach Handarbeit stricken gelernt, sagt sie während der Sendung «Hüt im Gspröch» im Schaffhauser Fernsehen. Während des ganzen Gesprächs strickt sie an einem weiteren Teilstück des Schals. Schon vor dem nationalen Frauenstreik fing das Stricken in Schaffhausen an. Denn für den 14. Juni 2019 hatte der Frauenstammtisch 60 sogenannte Pussyhats gestrickt. Die Idee der pinken Mützen übernahmen sie von den Amerikanerinnen: Diese gingen nach der Wahl Trumps zum Präsidenten auf die Strasse, um für Frauenrechte zu protestieren. Ziel: Mit Stricken aufhören Nach dem Frauenstreik wollten die Schaffhauserinnen nicht aufhören zu stricken. «Wir wollten präsent bleiben in der Öffentlichkeit», sagt Pfalzgraf. Und so setzten sie sich am 14. November 2019 erstmals auf den Fronwagplatz. Mit genügend Stricknadeln und Wolle, damit auch Passantinnen und Passanten mitstricken konnten. Auch heute, zum Jubiläum, soll der Schal wieder länger werden. Ausnahmsweise aber in der Schwertstrasse statt auf dem Fronwagplatz. «Das eigentliche Ziel ist, mit dem Stricken aufzuhören», sagt Pfalzgraf. Der Schal stelle eine Zeitachse dar, die sichtbar mache, wie lange die Frauen warten müssen, bis ihre Forderungen – zum Beispiel Schutz vor sexueller Belästigung oder gleicher Lohn für gleiche Arbeit – erfüllt werden. «Frauen verdienen bis zu 20 Prozent weniger, und 8 Prozent davon sind nicht mit Arbeitserfahrung oder Leistung zu erklären, sondern mit dem Geschlecht», sagt Pfalzgraf. «Da wird jede Frau sauer, wenn sie das hört.» Und es gehe nicht nur um den Lohn, sondern auch um die Rente, die am Schluss des Arbeitslebens einer Frau fehle. Situation durch Krise verschärft Kleine Fortschritte habe es seit dem Frauenstreik schon gegeben. Präsenter seien die Forderungen geworden. Aber es gebe noch viel zu tun. Sie habe die Listen der kommenden Grossstadtratswahlen durchgeschaut und jeweils den Frauenanteil ermittelt. «Nur vier Listen haben einen Frauenanteil von 50 Prozent oder drüber.» Es gebe Listen, die gar keine weiblichen Namen aufweisen. Frauen sollen in jeder Partei vertreten sein, sagt Pfalzgraf. «Auch sie haben eine Meinung.» Die Coronakrise habe die Situation für die Frauen zusätzlich verschärft. Die Zahl der Fälle von häuslicher Gewalt sei um bis zu zehn Prozent angestiegen. «Wir würden unsere Lismete gern wegpacken können», sagt Pfalzgraf. «Aber so, wie es in der politischen und gesellschaftlichen Welt aussieht, müssen wir noch lange stricken.»
Schaffhauser Nachrichten, 14. November 2020
Schaffhauser Nachrichten: 2020-11-14 "Da wird jede Frau sauer, wenn sie das hört"